Pssst, hier verraten wir ein Geheimnis. Europa gibt es gar nicht. Also: Es gibt nicht das eine Europa. Europa ist für jeden anders. Für die Franzosen ist es ein Bollwerk gegen die Deutschen. Für die Deutschen ein Resozialisierungsprogramm nach dem Zweiten Weltkrieg. Für die Engländer eine Freihandelszone. Für die Osteuropäer ein Versprechen auf den Wohlstand. So stellt das Andreas Rödder dar, Professor für Neueste Geschichte an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz. 27 Staaten, 27 Blickwinkel. Der Historiker zieht für sich einen fundamentalen Schluss. „Europa tut gut daran, nicht immer nur mehr Europa zu fordern.“ Offener müsse Europa werden. Künftig bereit sein, auch einmal einen Schritt zurück zu gehen. Da zitiert der Historiker den alten DDR-Häuptling Erich Honecker. Der schließlich war mit seinem legendär starrsinnigen „Vorwärts immer, rückwärts nimmer“ auch nicht auf Dauer erfolgreich.
Brexit? „Das bedeutet Tausende neuer Beamte“
Es ist Donnerstags-Talk, es ist „maybrit illner“. Es ist wie so oft: Eigentlich soll es um den Brexit gehen. Die spannenderen Themen sind andere. Zum Beispiel bekommt Edmund Stoiber seine alte Krankheit Aufzähleritis in den Griff. Der 77-Jährige hat gelernt, verständlich zu bleiben. Und so spricht der Ex-Ministerpräsident Bayerns und ehemalige Anti-Bürokratie-Beauftragte der Europäischen Union tatsächlich so etwas wie Klartext. Brexit? Das bedeutet, sagt Stoiber, Tausende von neuen Beamten, um die neuen Zölle und Steuern einzutreiben. Italien? „Die haben eine Regierung aus AfD und Piraten-Partei.“ Eine harte EU-Linie gegen die Südeuropäer und ihren Haushalt, der alle Regeln komplett ausblendet? Plötzlich wird der Paragraphen-Hektiker Stoiber zum Vorbild bayerisch-buddhistischer Gelassenheit. Er winkt ab. „Der Stabilitätspakt ist doch schon 100 Mal gebrochen worden…“
Prognosen? Stoiber nennt seine historischen Fehler
Das kann die SPD-Spitzenkandidatin Katarina Barley so nicht stehen lassen. „Was die Italiener da machen“, wirft sie ein, „ist unverantwortbar.“ Aber Prognosen sind bekanntlich schwer, vor allem dann, wenn sie die Zukunft betreffen. Da ist Stoiber zurückhaltend geworden. Er bekennt zwei historische Fehleinschätzungen. Er habe niemals einen Brexit für möglich gehalten. Und auch ein Donald Trump als US-Präsident sei für ihn undenkbar gewesen.
Europa in 50 Jahren? „Die Situation ist völlig offen“
Am vorsichtigsten zeigt sich ausgerechnet der Fachmann für lange Linien. Was man in 50 Jahren über die aktuellen Entwicklungen in Europa denken werde, will Moderatorin Maybrit Illner vom Historiker hören. Professor Rödder weiß nur, dass er nichts weiß. „Die Situation ist völlig offen“, antwortet er, wahrscheinlich sehr wahrheitsgemäß. Und: „Ich plädiere für radikale Offenheit.“ Er argumentiert für ein flexibleres Europa, weil eben nicht alle sind wie wir Deutsche, die „am liebsten Europäer sind und keine Deutschen mehr“.
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