Die Krankenschwester erinnerte sich an den Sturz der Patientin Elsa K. (Name geändert) in Zeitlupe: Urplötzlich sei das Bein der 88-Jährigen, die sie zur Toilette begleiten wollte, weggeknickt und die Frau war aus ihren Armen auf den Boden gesunken.
„Ich konnte nur noch verhindern“, so die 49-Jährige als Zeugin, „dass sie nicht noch mit dem Oberkörper aufschlägt.“
Schlimme Folgen des Sturzes
Aber der ungebremste Fall auf ihr Gesäß hatte einschneidende Folgen für die Seniorin: Sie erlitt einen Oberschenkelhalsbruch, der zwei Tage später operiert wurde. Aber noch gravierender: Die heute 90-Jährige kam durch den Unfall nicht mehr richtig auf die Beine und verlor ihr Zuhause. Ihre Wohnung, in der sie zuvor mit ambulanter Hilfe selbständig gelebt hatte, musste gekündigt werden und sie selbst musste – als Pflegefall – in ein Seniorenheim.
Tochter klagt vor Landgericht
Ein Zivilfall fürs Bonner Landgericht. Die Tochter von Elsa K. hat das Krankenhaus auf rund 30 000 Euro Schadensersatz verklagt: Die Klinik habe ihren Pflegeauftrag schuldhaft verletzt, so die Klägerin. Denn die 88-Jährige hatte – das wusste die Krankenschwester auch – Stunden vor dem verunglückten Toilettengang eine PDA-Spritze gegen Schmerzen in den Bandscheiben erhalten mindestens sechs Stunden sollte sie absolute Bettruhe halten.
88-Jährige kam ins Rutschen
Da Elsa K. eine Bettpfanne rigoros ablehnte, bat sie die Schwester um Geh-Hilfe. Aber die 49-Jährige hatte trotz „unterstützenden Griffs“ die Patientin offenbar nicht fest genug gesichert, so dass sie ins Rutschen kam.
Unfallszene mit Testperson
Da es auf diesen Griff zentral ankam, schlug Rechtsanwalt Dr. Ludwig Klassen im Gütetermin vor, die Krankenschwester sollte die Szene mit einer Testperson nachstellen: Was die Zeugin zeigte, war so eindeutig und entschied den Fall sehr schnell. Denn die Pflegerin hatte nur ein Handgelenk der „Patientin“ fest im Griff, den anderen Arm hatte sie nur locker auf die Schulter gelegt.
Kapitaler Pflegefehler
Mit anderen Worten: Ein kapitaler Pflegefehler, so auch der Gutachter. Denn die Krankenschwester hätte wissen müssen, dass es nach einem PDA-Eingriff zu Lähmungserscheinungen im Bein kommen kann; sie hätte die Patientin mit zwei Händen festhalten – oder eine weitere Pflegeperson rufen müssen.
Auch nach Ansicht der 9. Zivilkammer handelt es sich bei dem Unfall eindeutig „um ein vorhersehbares Risiko, das nicht hätte passieren dürfen“. Ein grober Pflegefehler, für den das Krankenhaus fraglos haftet.
Gericht verlangt 60.000 Euro
Nach kurzer Beratung unterbereitete die Kammer einen überraschend hohen Vergleich: 60 000 Euro sollte die Klinik zahlen, damit seien nicht nur rund 10 000 Euro Schaden, 10 000 Euro Schmerzensgeld und mit 40 000 Euro auch alle zukünftigen Folgeschäden abgegolten.
Bonner Anwalt zufrieden
Ein Vorschlag der gehalten hat – und bereits rechtskräftig ist. Dr. Ludwig Klassen, ein Spezialist für Arzthaftungsfälle: „Selten hat es eine so deutliche Haftung wie in diesem Fall gegeben.“
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