“Damenstrickkleid mit Kaschmir” – mit dieser Bezeichnung wirbt ein deutscher Discounter für ein Strickkleid. Kosten soll es 19,90 Euro. Dass der Hauptbestandteil 37 Prozent Viskose ist und nicht das erwähnte Kaschmir, wird dem Verbraucher nur klar, wenn er auf das Etikett schaut. Denn mit 37 Prozent Viskose und 22 Prozent Polyamid besteht das Kleid zu mehr als der Hälfte aus Plastikfasern. Gerade mal 11 Prozent Kaschmir bleiben übrig. Verbraucherschwindel oder legitimes Spiel mit Produktbegriffen?
Der Markt für Billigkaschmir ist groß
Noch vor ein paar Jahren war die weiche Kaschmirwolle nicht nur rar, sondern auch besonders teuer. Denn ähnlich wie bei Angora- oder Mohairwolle ist die Produktion von Kaschmir sehr aufwendig. Produziert wird die Wolle von Kaschmirziegen, die ursprünglich nur in der Region Kaschmir im Norden Indiens leben. Inzwischen ist China der weltweit größte Kaschmirproduzent. Aber auch in Australien und Schottland gibt es große Kaschmirfarmen.
Laut der Tierschutzorganisation Peta lebten 2017 in der Mongolei und China rund 140 Millionen Kaschmirziegen. Ein Grund dafür, warum Kaschmirwolle teurer als andere Wolle ist: Für einen Pullover braucht man die Wolle von rund zwei Tieren. Einmal im Jahr – meist in den Wintermonaten – wird das Unterfell der Ziegen ausgekämmt. In die Kritik gerät die Produktion von Kaschmir immer wieder, weil die Wolle der Tiere teilweise unter qualvollen Bedingungen gewonnen wird.
Qualitätsunterschiede sind riesig
Natürlich weiß jeder Käufer, dass ein Kaschmirpullover für 30 Euro nicht dem Qualitätsstandard eines Pullovers für mehrere Hundert Euro entsprechen kann. Dennoch erwarten wir Kaschmir, wenn Kaschmir draufsteht. Deshalb macht es Sinn die Qualität des Kleidungsstücks ganz genau zu prüfen.
Textil-Experte Dr. K.-H. Phan erklärt, welche Punkte dabei zu beachten sind: “Die Ware muss einen typisch weichen Kaschmir-Touch haben. Die Garne in der Ware dürfen nicht so locker gedreht und gestrickt oder gesponnen sein. Die Ware fühlt sich dann schön weich an, aber die Pilling-Gefahr besteht.” Außerdem sollten Sie laut Phan darauf achten, dass sich der Pullover nicht zu “hart” oder “seifig” anfühlt. Was auf der Hand liegt, bestätigt auch der Experte: “Sehr günstige Preise sind keine Garantie für gute Qualität – und Echtheit.”
So tricksen die Hersteller
Für den Käufer ist der Unterschied oft auf den ersten Blick nicht erkennbar. Die Bezeichnung “mit Kaschmir” bedeutet, dass es einen niedrigen Kaschmiranteil gibt. Das Kleidungsstück fühlt sich aber dank synthetischer Fasern gut an, sodass die Qualität nicht direkt auffällt. So erkennt der Käufer nur beim Blick auf das Etikett, dass es sich nicht um Kaschmir, sondern um eine Zusammensetzung aus verschiedenen Fasern handelt.
Aber auch 100-prozentiges Kaschmir hat seine Tücken: “Kaschmir ist nicht gleich Kaschmir. Allein die Preise des Rohmaterials variieren sich zwischen 30 US-Dollar pro Kilogramm bis 150 US-Dollar pro Kilogramm, je nach Faserfeinheit, Farbe, Faserlänge und ‘Style'”, so Phan.
Günstige Kleidungsstücke aus Kaschmir haben häufig kürzere Fasern. Denn kurze Kaschmirwolle ist im Einkauf billiger. Im Gegensatz zu langen, feinen Fasern neigen kurze Fasern eher zum sogenannten “Pilling”. Es entstehen feine Knötchen im Gewebe und das Kleidungsstück verfusselt.
Auf die richtige Pflege kommt es bei Kaschmir an
Ob günstig oder hochpreisig: Wer möglichst lange etwas von Kaschmirkleidung haben möchte, der sollte sie richtig pflegen. Und dabei sollten Sie Folgendes beim Waschen beachten:
- Kaschmir immer am besten im Wollwaschprogramm der Maschine waschen
- Immer kalt waschen und mit niedriger Umdrehung
- Handwäsche ist auch möglich, aber ist oft weniger schonend als der Wollwaschgang
- Wollwaschmittel verwenden
- Beim Trocknen immer hinlegen und nie aufhängen. So verhindern Sie, dass das Kleidungsstück ausleiert
Wieviel ist Kaschmir wirklich wert?
Wer einen guten und haltbaren Pullover aus reinem Kaschmir haben möchte, muss tiefer in die Tasche greifen. Auf die Anfrage des NDR-Verbrauchermagazins “Markt” hieß es von der Modekette P&C: dass “sich eine gewisse Knötchenbildung leider nicht verhindern” lasse. “Kaschmir ist eben etwas Besonderes und kein Artikel für den täglichen Bedarf.”
Textil-Experte Dr. Phan sagt dazu: “Ein reiner Kaschmir-Pullover kostet ab 70 bis 80 Euro, manchmal weniger. Für eine gute Qualität muss man aber ab 150 bis 200 Euro bezahlen.” Selbst, wer beim Kauf auf 100-prozentigen Kaschmir setzt, kann bei einem günstigen Preis davon ausgehen, dass der Pullover nicht so haltbar ist wie ein teures Modell.
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