- Wikipedia-Website ist bis 21. März 2019, 23.59 Uhr nicht aufrufbar
- Die Autoren wollen so gegen Artikel 13 der EU-Urheberrechtsreform protestieren
Die deutschsprachige Wikipedia hat sich dazu entschieden, am europaweiten Protesttag gegen die geplante Urheberrechtsform teilzunehmen. Das bedeutet: “Zum allerersten Mal wird die deutschsprachige Community von Autorinnen und Autoren eine Komplettabschaltung durchführen”, hieß es zudem in einem Blogeintrag der Wikimedia.
Ab 0 Uhr ist Wiki am Donnerstag nicht erreichbar
Zu diesem Anlass wird am 21. März 2019 um 0 Uhr das deutschsprachige Internet-Lexikon offline genommen. Das hat der Wikipedia-Administrator Thomas Planinger auf Twitter bekanntgegeben.
Wann Wikipedia wieder online ist
Aber die Abschaltung geschieht nur auf Zeit: Am 22. März um 0 Uhr können Nutzer die mehr als zwei Millionen enzyklopädischen Artikel wieder abrufen.
Und auch wenn die Aktion auf 24 Stunden beschränkt ist, wird sie wohl auffallen: Denn die deutschsprachige Ausgabe von Wikipedia ist nach eigenen Anhaben die siebthäufigst aufgerufene Seite im deutschen Sprachraum. Mehr als drei Millionen Menschen sind angemeldete Nutzer, knapp 20.000 sind aktiv unterwegs.
Wikipedia Deutschland verteidigt Abschaltung
Der Förderverein Wikimedia hat die Abschaltung von Wikipedia Deutschland am Donnerstag verteidigt. “Das ist das drastischste Mittel, das wir zur Verfügung haben, um auf etwas hinzuweisen”, sagte der Leiter für Politik und Recht bei Wikimedia, John Weitzmann, in der Sendung “Radiowelt am Morgen” im Sender Bayern 2. Weitzmann hofft, dass die europäische Urheberrechtsreform in Brüssel noch abgeändert wird, da sie in der jetzt vorgeschlagenen Form durchaus auch nichtkommerzielle Plattformen im Internet wie Wikipedia empfindlich treffen könne.
Es sei immer noch nicht klar, ob für solche Plattformen Ausnahmeregeln gelten werden, sagte Weitzmann. “Der ganze Ansatz über Ausnahmeregelungen, die im jetzigen Entwurf sehr lückenhaft sind, ist sehr schwierig. Es ist ein bisschen so, also ob man mit der Schrotflinte auf alle Plattformen schießt, und vorher ein paar schussichere Westen verteilt. Das ist weder zukunftssicher noch bietet der Entwurf Rechtssicherheit.” Wikipedia Deutschland könne dann für Bilder und Videos haftbar gemacht werden, die User ohne urheberrechtliche Erlaubnis auf die Plattform stellen.
Weitzmann betonte, die Abschaltung von Wikipedia am Donnerstag bleibe “erstmal eine einmalige Sache”. “Das wird in Zukunft nicht der Standard werden. Wir werden dadurch keine politische Plattform werden.”
Wikipedia geht offline – das ist die aktuelle Protestnote:
Doch am Donnerstag sollen Interessierte nur eine schwarze Protestnote des Internetlexikons lesen können. Der Wortlaut:
“DIES IST UNSERE LETZTE CHANCE. HELFEN SIE UNS, DAS URHEBERRECHT IN EUROPA ZU MODERNISIEREN.
Liebe Besucherin, lieber Besucher,
warum können Sie Wikipedia nicht wie gewohnt benutzen? Die Autorinnen und Autoren der Wikipedia haben sich entschieden, Wikipedia heute aus Protest gegen Teile der geplanten EU-Urheberrechtsreform abzuschalten. Dieses Gesetz soll am 27. März vom Parlament der Europäischen Union verabschiedet werden.
Die geplante Reform könnte dazu führen, dass das freie Internet erheblich eingeschränkt wird. Selbst kleinste Internetplattformen müssten Urheberrechtsverletzungen ihrer Userinnen und User präventiv unterbinden (Artikel 13 des geplanten Gesetzes), was in der Praxis nur mittels fehler- und missbrauchsanfälliger Upload-Filter umsetzbar wäre. Zudem müssten alle Webseiten für kurze Textausschnitte aus Presseerzeugnissen Lizenzen erwerben, um ein neu einzuführendes Verleger-Recht einzuhalten (Artikel 11). Beides zusammen könnte die Meinungs-, Kunst- und Pressefreiheit erheblich beeinträchtigen.
Obwohl zumindest Wikipedia ausdrücklich von Artikel 13 der neuen Urheberrechtsrichtlinie ausgenommen ist (allerdings nicht von Artikel 11), wird das Freie Wissen selbst dann leiden, wenn Wikipedia eine Oase in der gefilterten Wüste des Internets bleibt.
Gegen die Reform in ihrer gegenwärtigen Fassung protestieren auch rund fünf Millionen Menschen in einer Petition, 145 Bürgerrechts- und Menschenrechtsorganisationen, Wirtschafts- und IT-Verbände (darunter Bitkom, der deutsche Start-Up-Verband oder der Chaos-Computer-Club), Internet-Pioniere wie Tim Berners-Lee, Journalistenverbände sowie Kreativschaffende.
Wir bitten Sie deshalb darum, die Abgeordneten des Europäischen Parlaments zu kontaktieren und sie über Ihre Haltung zur geplanten Reform zu informieren.
Danke.“
Mehrere andere Sprachversionen würden möglicherweise diesem Beispiel folgen oder Banner auf der Hauptseite anzeigen.
Wiki-Autoren gegen EU-Urheberrechtsreform
Im deutschsprachigen Raum stimmten knapp 68 Prozent der Autoren in einer Online-Umfrage für einen Protest gegen die EU-Urheberrechtsreform. Die Nutzer hatten die Wahl: Sollte die Enzyklopädie für einen Tag komplett abgeschaltet werden oder reicht es, wenn Protestbanner auf der Seite ausgespielt wird? Für die komplette Abschaltung entschieden sich 83 Prozent der Befragten.
Der Protest richtet sich gegen den Artikel 13 der geplanten EU-Urheberrechtsreform. “Selbst kleinste Internetplattformen müssten Urheberrechtsverletzungen ihrer Userinnen und User präventiv unterbinden, was in der Praxis nur mittels fehler- und missbrauchsanfälliger Upload-Filter umsetzbar wäre”, heißt es in einem Text, der am Donnerstag auf der Wikipedia-Seite veröffentlicht werden soll.
“Zudem müssten alle Webseiten für kurze Textausschnitte aus Presseerzeugnissen Lizenzen erwerben, um ein neu einzuführendes Verleger-Recht einzuhalten”, hieß es weiter. “Beides zusammen könnte die Meinungs-, Kunst- und Pressefreiheit erheblich beeinträchtigen.”
Upload-Filter: Darum geht es im Artikel 13
Dieser regelt die Einführung von sogenannten Upload-Filtern. Das ist Software, mit der Internet-Plattformen wie YouTube und Facebook schon beim Hochladen überprüfen können, ob Bilder, Videos oder Musik urheberrechtlich geschützt sind.
Die Verantwortung – also die Haftung – für Uploads liegt bei den Plattformen. Kritiker erwarten deshalb, dass die Plattformen alles tun werden, um keine Rechte zu verletzen – und deshalb Uploads verweigern.
Lesen Sie hierzu: Streit um Artikel 13 – Darum ist das Thema so brisant
Wikipedia nicht direkt betroffen
Wikipedia ist als nicht-kommerzielle Seite selbst von der Reform des Urheberrechtes nicht betroffen. Die Autoren der deutschsprachigen Wikipedia wollen die Nutzer trotzdem animieren, EU-Abgeordnete zu kontaktieren und gegen den Artikel zu demonstrieren.
Denn, so die Befürchtung der Community, “wird das Freie Wissen selbst dann leiden, wenn Wikipedia eine Oase in der gefilterten Wüste des Internets bleibt”.
Partei ermöglicht Teilnahme an Protest
Die Piratenpartei Deutschland schließt sich dem Protest der Deutschen Wikipedia gegen die geplante Urheberrechtsreform an. Das gab die Partei am Dienstag bekannt. Am 21. März, zwei Tage vor dem europaweiten Demonstrationstag wollen die Piraten demnach ihre Webseite für 24 Stunden abschalten.
Zudem bietet die Partei ein Plugin an: Damit können Betreiber von WordPress-Seiten diese ebenso auf einfache Weise für einen Tag abschalten und mit einem Hinweis auf die Gefahren der Reform und die geplanten Demonstrationen am 23. März versehen.
“Wir freuen uns über die Aktion von Wikipedia und werden mit der Abschaltung unserer Website ebenfalls darauf aufmerksam machen, dass mit der EU-Urheberrechtsreform tatsächlich die dauerhafte Abschaltung vieler Webseiten droht”, sagt Borys Sobieski, stellvertretender Generalsekretär der Piratenpartei.
Im Video: Um Theorie zu beweisen: „Flat Earther“ wollen an „Rand der Welt“ reisen
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