Sandra Cegla hat den Film als Expertin begleitet. 14 Jahre lang war sie als Kriminalkommissarin in Berlin-Neukölln und Kreuzberg im Einsatz; seit August 2015 ist die heute 39-Jährige hauptberuflich für SOS-Stalking tätig, eine Initiative, die Stalking-Opfer berät und bei der strafrechtlichen Verfolgung unterstützt.
Allein 2017 wurden in Deutschland 18.483 polizeilich-relevante Fälle von Stalking erfasst – doch wie kann man sich vor diesem Psycho-Terror schützen?
FOCUS Online: Frau Cegla, Sie haben schon viele Stalking-Fälle bis vor Gericht begleitet. Kann jeder Mensch zum Stalker werden, oder gibt es dafür eine Veranlagung?
Cegla: Die Wissenschaft unterscheidet zwischen vier verschiedenen Typen von Stalkern. Was aber alle von ihnen gemeinsam haben, ist eine erhöhte Kränkbarkeit. In „Dein Leben gehört mir“ gerät der Stalker beispielsweise in Rage, weil seine Freundin ihn nicht beim Gespräch mit ihrem Chef dabei haben will. Stalker zeichnen sich immer durch ein massiv gestörtes Bindungsverhalten aus.
FOCUS Online: Wie sieht es mit den Betroffenen aus, gibt es einen bestimmten Opfertyp?
Cegla: Nein, den gibt es nicht. Stalking kann jeden treffen; es ist ein psychisches Phänomen, das sich durch alle Gesellschaftsschichten zieht. Da Stalking oft in Zusammenhang mit häuslicher Gewalt auftritt, lassen sich in einzelnen Fällen gewisse Muster erkennen, etwa dass die betroffene Person bereits in der Kindheit Gewalt in der Familie erfahren hat und sich somit unbewusst einen Partner gesucht hat, der ebenfalls gewalttätig ist. Das ist aber nicht die Regel. Stalking hat niemals etwas mit einem Fehlverhalten der betroffenen Person zu tun. Das psychische Problem hat immer der Täter.
FOCUS Online: In 80 Prozent der Fälle sind Frauen von Stalking betroffen, der Täter ist meistens ein Ex-Partner. Wie kann man sich vor Stalking schützen?
Cegla: Ein stabiles soziales Umfeld ist unser wichtigster Schutz. Nicht zuletzt, weil man für eine strafrechtliche Verfolgung Zeugen braucht, die vor Gericht aussagen können. Aber auch weil es ein wichtiger Spiegel für die Opfer ist. Freunde und Verwandte können einer betroffenen Person auf Verhaltensauffälligkeiten hinweisen, die ihr selbst womöglich nicht komisch erscheinen, oder bei denen sie sich selbst unsicher ist.
Ab dem Zeitpunkt wo der Verdacht des Stalkings besteht, sollten Betroffene ihre Situation so gut wie möglich dokumentieren, sei es mit Hilfe von Fotos, Videos, oder einfachen Aufzeichnungen. Ein sogenanntes „Stalking-Tagebuch“ kann vor Gericht sogar als Beweismittel dienen.
FOCUS Online: Wie sieht es mit Selbstverteidigung aus?
Cegla: In einer Notsituation, wo es um Leib und Leben geht, sollte man umgehend die Polizei einschalten. Aber schwere Gewalttaten können innerhalb von Sekunden passieren, deshalb ist es durchaus ratsam, sich zur Wehr zu setzen, indem man zum Beispiel einen Selbstverteidigungskurs macht.
Aber natürlich nicht, um Selbstjustiz zu verüben. Auf gar keinen Fall sollten betroffene Personen ihren Stalker aufsuchen und gewaltsam konfrontieren, denn dann machen sie sich selbst zum Täter.
FOCUS Online: Wie beurteilen Sie als Expertin den Sat.1-Film „Dein Leben gehört mir“?
Cegla: Der Stalker ist sehr gut dargestellt, er hat eine sehr charismatische Seite und man versteht, wieso Josefine Preuss Figur, Malu, ihn anziehend findet. Erst mit der Zeit lässt sich sein manipulatives Verhalten anhand kleiner Feinheiten erkennen und erst dann wird dem Zuschauer bewusst, dass etwas nicht stimmt.
Gerade dieser Aspekt ist sehr realistisch umgesetzt, denn in der ersten Verliebtheitsphase ist es nahezu unmöglich, solche Verhaltensauffälligkeiten als Stalking-Merkmale zu deuten. Ich spreche in meiner Funktion als Beraterin häufig mit Frauen, die zwar rückblickend sagen, sie hätten von Anfang an ein komisches Bauchgefühl gehabt, dieses aber erst nachdem sie bereits mehrere Jahre mit einer Stalking-Situation gelebt haben, richtig einordnen können. Aus meiner Sicht eignet sich der Film deshalb tatsächlich für die Prävention.
„Dein Leben gehört mir“ sehen Sie am 1. April um 20:15 Uhr auf Sat.1
Im Video: Wie Sie mit einer Zeitschrift einen Angreifer stoppen können
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